Busprojekt #saytheirnames in Jena erinnert an Todesopfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt und ruft zum Handeln auf
Seit 1990 sind in der Bundesrepublik über 200 Menschen Todesopfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt geworden. In einem gemeinsamen Projekt sollen die Namen der Opfer in die Jenaer Öffentlichkeit gebracht werden, um ihrer zu erinnern. Die Menge der Namen verdeutlicht dabei die gewaltvollen und tödlichen Konsequenzen von menschenverachtenden Einstellungen und Handlungen. Das Projekt soll daher auch zur Auseinandersetzung mit rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt anregen.
„Rechte Gewalt tötet, verletzt und grenzt aus. In Jena ist vor allem Rassismus ein großes Problem. Es geht um die alltägliche Konfrontation und die Botschaft der Täter: ‚Ihr gehört nicht dazu.‘ Wir beobachten diese Kontinuität jüngst bei den rassistischen, muslimfeindlichen Posteinwürfen in Lobeda und Winzerla, aber auch bei den Versammlungen der sogenannten Coronaleugner:innen, bei denen es auch zu Angriffen gegen die protestierende Zivilgesellschaft kommt. Dagegen hilft: Hinsehen, Intervenieren, Solidarität zeigen. Niemand darf mit rechter, rassistischer, antisemitischer Gewalt allein bleiben. Sie geht uns alle an“, erklärt Franziska Schestak-Haase von ezra, der Beratung für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen.
Rea Mauersberger, Vorsitzende des Migrations- und Integrationsbeirates Jena: „Rassismus ist eine alltägliche Erfahrung von vielen BIPoC. Wir begegnen Rassismus überall, auf der Straße, in Behörden, in den Schulen, auf der Arbeit, im Freundeskreis. Nur wenn wir anerkennen, dass Rassismus ein strukturelles Problem ist, können wir ihn effektiv bekämpfen. Dazu brauchen wir eine breite gesellschaftliche, kritische Auseinandersetzung mit Rassismus, sowie die Bereitschaft den eigenen Rassismus zu begreifen und zu bekämpfen.
„Elf Jahre nach dem breiten öffentlichen Bekanntwerden des NSU, dessen Kernmitglieder aus Jena stammten und von hieraus in den Untergrund gingen, um 10 Menschen zu ermorden und zahlreiche weitere zu verletzen, wollen wir mit dem Projekt verdeutlichen, dass extrem rechte Gewalttaten weder mit dem NSU begannen noch endeten. Dies wird auch durch den anstehenden zweiten Jahrestag des rassistischen Anschlags in Hanau vom 19.2.2020 deutlich“, ergänzt Alexander Krampe von der Partnerschaft für Demokratie Jena.
Couragiertes Handeln und öffentliches Eintreten für Miteinander und Vielfalt schützt die Betroffenen nicht nur im Ernstfall. Es verdeutlicht auch zentrale Prinzipien einer demokratisch verfassten Gesellschaft, für die sich die Projektbeteiligten gemeinsam einsetzen.
Oberbürgermeister Dr. Thomas Nitzsche: „Rassismus und Ausgrenzung haben in Jena keinen Platz und es wird unsere fortwährende Aufgabe sein, dieses klare Bekenntnis mit Hilfe eines breiten Netzwerkes immer wieder in der Stadt sichtbar zu machen, zu informieren, aufzuklären und zu gedenken. Hierzu gehört der Enver-Şimşek-Platz genauso wie die nach ihm umbenannte Straßenbahn- und Bushaltestelle. Und auch die aktuelle Buskampagne zu #saytheirnames wird einen wichtigen Beitrag zum Gedenken an die Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt leisten.“
Der thematisch gestaltete Bus wird für ein Jahr auf wechselnden Buslinien im Stadtbild von Jena verkehren. Im Innenraum des Busses machen Plakate auf das Anliegen des Projektes aufmerksam und geben Handlungsempfehlungen im Umgang mit rechten, rassistischen und antisemitischen Angriffen.
Das Projekt entstand auf Initiative der Lokalen Partnerschaft für Demokratie Jena in Kooperation mit KoKont, der Beratungsstelle für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen ezra, Iberoamérica e.V., dem Migrations- und Integrationsbeirat Jena, MigraNetz Thüringen e.V., Ansole e.V., dem Fachdienst für Migration und Integration Jena, der Jungen Gemeinde Stadtmitte, der Antidiskriminierungsstelle der Stadt Jena und mit Unterstützung des Oberbürgermeisters Dr. Thomas Nitzsche.
Die Partnerschaften für Demokratie unterstützen die zielgerichtete Zusammenarbeit aller vor Ort relevanten Akteurinnen und Akteure für Aktivitäten gegen Rechtsextremismus, Gewalt und die unterschiedlichen Ausprägungen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit sowie für die Entwicklung eines demokratischen Gemeinwesens unter aktiver Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger und tragen zur nachhaltigen Entwicklung lokaler und regionaler Bündnisse in diesen Themenfeldern bei.
Die Lokale Partnerschaft für Demokratie Jena (PfD Jena) in Trägerschaft der Stadt Jena wird gefördert durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen von “Demokratie leben!” und dem Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit „DenkBunt“ des Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport.
Kontakt:
Alexander Krampe | Partnerschaft für Demokratie Jena | 03641 375810 | lap@jugendring-jena.de